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Bridge&Tunnel

»we design society«

Sechs Fragen an Constanze Klotz von Bridge&Tunnel

Hallo Constanze, wofür steht Bridge&Tunnel?

Mit Bridge&Tunnel haben wir ein Label gründet, das mehr will als nur hübsches Design zu gestalten. Wir brennen dafür, zu zeigen, dass es so viele Talente losgelöst von Zeugnissen gibt. Und dass es möglich ist, textile Überbleibsel wie used Jeans als Ressource zu denken. Uns fasziniert die Vorstellung, dass man mit unternehmerischen Mitteln gesellschaftlich wirken kann.  Gleichzeitig sind wir als Fair Fashion Label den gleichen Marktherausforderungen ausgesetzt wie klassische, rein wirtschaftlich agierende Labels. Das ist eine große Herausforderung für uns. Aber es motiviert uns auch über alle Maße.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen? 

Die Idee kam im wahrsten Sinne des Wortes zu uns. Wir hatten 2015 von einem deutsch-türkischem Nähclub gehört, der sich einmal wöchentlich in einer Moschee zum Nähen traf. Wir haben die Frauen dann spontan eingeladen, ihren Nähtreff in unserer Werkstatt zu machen. Als wir den Näherinnen bei ihrer Arbeit zusahen, kamen wir aus dem Staunen nicht mehr heraus. Fast alle anwesenden Frauen waren handwerklich wahnsinnig begabt. Gleichzeitig wurde uns klar, dass nur die wenigsten von ihnen eine Ausbildung zur Schneiderin oder Näherin absolviert hatten, sondern vielmehr seit vielen Jahren arbeitslos waren. Uns wurde bewusst, was es überhaupt für ein großes Glück ist, Arbeit zu haben. Und wie privilegiert es ist zu sagen, Arbeit nervt. Nach diesem Erweckungsmoment wollten wir zeigen, welche Talente Menschen losgelöst von Zeugnissen mitbringen. Und haben unser Social Fashion Label Bridge&Tunnel gegründet.

Was ist das Besondere an eurem Label?

Wir versuchen bei Bridge&Tunnel zwei Dinge zusammenzubringen, die uns am Herzen liegen. Ein Fokus liegt auf der Wertschätzung von Textil, in unserem Fall sind das Jeans, die – obwohl sie in der Regel sehr unnachhaltig produziert und massenhaft weggeschmissen werden – oft noch sehr haltbar sind und deshalb unbedingt länger im textilen Kreislauf gehalten werden sollten. Unser zweites Thema ist die Wertschätzung der Ressource Mensch. Bei uns sind das Menschen, die aufgrund von verschiedenen Handicaps (Alter, fehlende Qualifikation, fehlende Deutschkenntnisse, Gehörlosigkeit) keinen Job finden und damit durch alle Raster fallen, obwohl sie handwerklich sehr talentiert sind.
Alles in einem kurzen Satz zu erklären war relativ schwierig. Deshalb finden wir unseren Claim »we design society« so toll und passend! Wir möchten zeigen, dass jeder Mensch etwas kann – und zwar unabhängig von Zeugnissen oder Diploma. Diese Wertschätzung von Menschen, die sonst durch alle Raster fallen, leisten wir mithilfe von Design.

Was inspiriert euch?

Durch Bridge&Tunnel habern wir gelernt, dass es ein unfassbares Privileg unserer Generation – uns eingenommen – ist, über Work-Life-Balance zu klagen. Denn wer keine Arbeit hat, hat nicht nur keine Arbeit, sondern so viel mehr nicht. Arbeit schafft Anerkennung, für unsere Näherinnen und Näher selbst, aber auch innerhalb ihrer Familien. Wenn Menschen lange Jahre keine Arbeit haben, finden sie in unserer Gesellschaft kaum noch statt, oft wird eine gewaltige Stigmatisierungsspirale in Gang gesetzt. Über die Anerkennung des eigenen Tuns fangen viele Mitarbeiterinnen wieder an, sich um sich selbst zu kümmern. Und geben das Gefühl der Wertschätzung an ihr Umfeld weiter. Das macht uns sehr glücklich und inspiriert uns jeden Tag aufs Neue.

Gibt es ein paar herausragende Meilensteine? 

Wir haben mit unserem kleinen Label schon viel erlebt und freuen uns z.B. über zahlreiche Auszeichnungen wie den German Design Award (2018). Unsere größte Herausforderung bleibt aber zu vermitteln, dass Fair Fashion nicht zu teuer, sondern herkömmliche Mode viel zu günstig ist.

Gibt es kommende Projekte, von denen du schon berichten kannst?

In den vergangenen zwei Jahren haben wir einige Upcycling Kooperationen für große Partner im B2B Bereich umgesetzt, wie z.B. Tchibo, Levi’s oder Sea Shepherd. Dieses Geschäftsfeld wollen wir unbedingt weiter ausbauen. Denn es ist eine fantastische Möglichkeit einer größeren Gruppe an Menschen zu zeigen, wie wertvoll Upcycling und das Denken in textilen Kreisläufen sein kann.

Bildnachweis: Bridge&Tunnel, Christian Schulz Photography, Baroquine Photography, Olivia Lehmann, Lisa Notzke, Styling MIlia Seyppel,

Über Bridge&Tunnel:

»Bridge&Tunnel steht für zweite Chancen. Seit 2016 fertigt unser Social Fashion Label mitten in Hamburg mit gesellschaftlich benachteiligten Menschen sowie mit Geflüchteten. Beide verbindet das enorme handwerkliche Geschick jenseits von Zeugnissen und Diploma. Und die Erkenntnis: Wer arbeitet, lernt Menschen kennen. Und wer arbeitet, fühlt sich gebraucht.
Auch unsere Designs erzählen von zweiten Chancen. Denn alle Produkte entstehen aus used Denim. Für den B2B Bereich verarbeiten wir für Kunden wie Tchibo, Levi’s oder Sea Shepherd mittlerweile auch andere textile Reste. Denn hat nicht jeder im Leben eine zweite Chance verdient?«

Gründer: Constanze Klotz
Gründung:
2016
Sitz: 
Hamburg

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